Lieblingsvogel Rotkehlchen
Als ich am Wochenende Kartoffeln aus dem Boden holte war es wieder da, „unser“ Rotkehlchen. Nur wenige Meter von meiner Grabegabel entfernt, hüpfte es über den Boden und pickte in der aufgeworfenen Erde nach Insekten und Regenwürmern. Wenn ich eine Pause machte, setzte es sich auf den Griff der Grabegabel und wartete auf meine Rückkehr. Für den zutraulichen Vogel war ich wohl eine Art wühlendes Großtier, das den Boden aufbrach und ihm damit eine Speiskammer öffnete. So wie mich und meine Grabegabel, begleitet das Rotkehlchen auch wühlende Wildschweine, oder Rehe, die mit ihren Hufen den Schnee wegkratzen. Neben dem schönen Gesang und dem auffälligen Federkleid mit der leuchtend roten Brust, ist es wohl auch diese Zutraulichkeit, die das Rotkehlchen so bekannt und beliebt macht. Als in diesem Jahr der Vogel des Jahres erstmals nicht durch eine Jury, sondern in einer öffentlichen Abstimmung gewählt wurde, flog das Rotkehlchen mit fast 60.000 Stimmen den Sieg ein. Mehr als 455.000 Menschen hatten sich an der Wahl beteiligt. Rotkehlchen brüten in Wäldern und Heckengehölzen, aber auch gern in Gärten und Parks. Selbst in den Parks von Großstädten sind sie zu Hause. Da im Lärm der Großstadt ihr Gesang untergeht, dieser aber wichtig bei der Partnersuche und zur Revierabgrenzung ist, singen stadtbewohnende Rotkehlchen auch in der Nacht.
Allerdings gibt es einen Trend, für den auch das Rotkehlchen keine Lösung finden wird: Schottergärten. In diesen Steinwüsten kann kein Tier und keine Pflanze leben. Ich bin froh, dass in Mecklenburg nicht jeder Trend sofort aufgegriffen wird und Schottergärten im Biosphärenreservat die Ausnahme sind. In manchen Bundesländern sind sie so häufig, dass sie inzwischen verboten werden. Vor allem weil sie der Gesundheit der Menschen schaden. Pflanzen filtern Staub, verbessern das Kleinklima, produzieren Sauerstoff, dämpfen den Lärm. Wenn zwischen dem Beton der Straßen und Häuser keine Pflanzen mehr wachsen, sondern auch die Gärten mit Steinen zugekippt werden, können diese Serviceleistungen der Natur nicht mehr erbracht werden. Wenn Wohngebiete zum größten Teil aus Schottergärten bestehen, wird dort kein Vogel mehr singen und kein Schmetterling mehr fliegen. Nur ein paar Steinasseln werden in diesen „Gärten“ noch zu Hause sein.
Aber zurück zum Rotkehlchen. Während es im Sommer hauptsächlich von Insekten lebt und damit auch seine Jungen füttert, wird jetzt der Speiseplan auf Beeren und Samen umgestellt, denn Insekten sind in der kalten Jahreszeit knapp.
Sollte natürlich jemand den Boden aufwühlen, sei es Mensch oder Wildschwein, wird das Rotkehlchen zur Stelle sein und sich Delikatessen wie Engerlinge und Regenwürmer nicht entgehen lassen.
Text: M. Axel, E. Dornblut