Unterschlupf für Winterschläfer
Direkt hinter dem PAHLHUUS, dem Infozentrum des Biosphärenreservates in Zarrentin, fand meine Kollegin Antonia vor einigen Tagen einen jungen Igel. Die kleine Stachelkugel lag am Rande der frisch gemähten Wiese. Kein gutes Zeichen für ein nacht- und dämmerungsaktives Tier, das am Tage eigentlich in einem sicheren Versteck schlafen sollte. Ein Tierarzt bestätigte den Verdacht meiner Kollegin: das Igelkind war dehydriert, hatte Würmer und war mit 200 g viel zu leicht, um den Winter zu überstehen. Normalerweise gehören Igel in die Natur und ausgewachsene Igel haben überhaupt kein Problem, auch einen kalten Winter zu überstehen. Also bitte nicht mit nach Hause nehmen! Doch dieses Igelkind brauchte Hilfe und so nahm es meine Kollegin mit, um es fachgerecht zu versorgen. Da sich der kleine Igel gut erholt und kräftig an Gewicht zulegt, soll er schon Ende Oktober in die Freiheit entlassen werden. Dann wird es auch Zeit für ihn, sich ein Winterquartier zu suchen.
Das ideale Igel-Winterquartier besteht aus einem Haufen von Laub und Reisig an einem geschützten Platz. Dort verschläft der Igel die kalte Jahreszeit und zehrt von seinen Fettreserven. Igel fühlen sich in lichten Wäldern, aber auch in Parks und Gärten wohl, sofern es darin ein paar „wilde Ecken“ gibt. Laub- und Reisighaufen, verwilderte Büsche und Holzstapel nutzen sie als Tagesversteck, Kinderstube und Winterquartier. In laubfrei gepusteten Parks und Gärten finden Igel keine Nahrung und keine Versteckmöglichkeiten. Ein Igelversteck auf blitzblanken Rasen, wie in manchen Gartenkatalogen angeboten, nützt dem Stacheltier gar nichts.
Ich habe von einem schönen Projekt in der Stadt Wien gelesen. Dort wird in Parks und auf Friedhöfen nicht mehr alles Laub beseitigt, sondern an wenig frequentierten Stellen als Laubhaufen liegengelassen. Erst im Frühling werden die Laubhaufen beseitigt. Mit etwas Reisig abgedeckt, dienen sie Igeln als Winterquartier. Auf den Wiener Friedhöfen, die sich an dem Projekt beteiligten, wurden außerdem mehr Rotkehlchen und Zaunkönige nachgewiesen als auf laubfreien Friedhöfen. Aufwand: Null, Kosten: Null. Die Bevölkerung, so war in dem Beitrag zu lesen, reagierte auf das Projekt mit Zustimmung. Es ginge sogar noch einfacher. Man harkt oder bläst einen Teil des Laubes in den Parks und Gärten unter die Sträucher und Hecken und lässt es dort liegen. Ich glaube nicht, dass sich viele Menschen über die „Unordnung“ beschweren würden, auch wenn der Wind das eine oder andere Blatt wieder zurück auf den Weg pusten würde. Wer wünscht sich denn einen laubfreien Herbst?
Text: Mario Axel, Elke Dornblut